Unternehmergespräch mit Nils & Heiner Beckmann / Lebensmittel Zeitung 2.3.2018
Ein Artikel aus der Lebensmittel Zeitung vom 2. März 2018 von Gerd Hanke und Sabrina Schadwinkel
"Nicht klotzen, sondern kleckern!"
Am Ende des Jahres legt der Unternehmer Heiner Beckmann bei Delta Pronatura die
Ressortverantwortung in die Hände seines Sohnes Nils. Nicht nur bei den beiden und Mitgesellschafter
Gerhard Krauß soll die Chemie auch in Zukunft stimmen.
Die Körpersprache kann einiges darüber verraten, wie zwei Menschen zu einander stehen. Das wird besonders dann offensichtlich, wenn sich die Personen nahe kommen oder gar berühren. Beim Foto-Shooting ist dieser besondere Lackmustest unumgänglich. Es geht darum, den Generationswechsel bei Delta Pronatura ins Bild zu setzen. Heiner Beckmann und sein Sohn Nils nehmen Familienaufstellung im Labor des Egelsbacher Herstellers – postieren sich leicht versetzt zueinander, dann wieder Schulter an Schulter. Vater Heiner (70) zeigt sich geduldig und amüsiert über die nicht enden wollenden Anweisungen des Fotografen. Nils (34) beweist Kondition, baut Körperspannung auf, wirkt unermüdlich und entschlossen, ohne zu überziehen. Beide haben offensichtlich kein Problem, die Distanzzone des anderen zu durchbrechen.
Die Chemie könnte in diesem Unternehmen in doppelter Hinsicht stimmen. Das sind gute Voraussetzungen, um die Familiengeschichte in vierter Generation erfolgreich fortzuschreiben. Schließlich sind die Ziele der Egelsbacher nach dem stürmischen Wachstum in den zurückliegenden Jahren nicht bescheidener geworden. Der Hersteller von Spezialprodukten (Dr. Beckmann Fleckensalz, Bullrich, Blistex, Bi-Oil oder Blanx) ist in mittlerweile 80 Ländern mit eigenen Marken oder Lizenzprodukten vertreten.
Der Umsatz soll in den nächsten sechs Jahren auf schätzungsweise 300 Millionen Euro verdoppelt werden. In jeder Kategorie, in der man selbst vertreten sei, gilt die Marktführerschaft als Ziel: „Mittemarken“, so sagt Heiner Beckmann, „haben auf Dauer keine Überlebenschance.“ Die Auslandsexpansion bleibt ein zentrales Anliegen. Dort schlummerten große Potenziale. Der Anteil am Gesamtumsatz soll von heute 60 auf 75 Prozent anwachsen. Die Digitalisierung ist ein weiteres wichtiges Wachstumsfeld. Dem hat sich Sohn Nils angenommen. Dazu gehört auch der Ausbau des Internet-Geschäftes in China.
Das Unternehmen, über viele Jahrzehnte eher zurückhaltend bis verschwiegen, öffnet sich. Nils steht für eine neue Kommunikationsstrategie. Die Unternehmer geben Interviews, tauchen in Fernseh-Reportagen auf. Der Hersteller berichtet offensiver über seine Produkte und Expansionsziele. Vor zwei Jahren war die auf Familienunternehmen spezialisierte Unternehmensberatung Weissmann & Cie ins Haus geholt worden. „Wir haben einiges zu bieten“, sagt Heiner Beckmann unter Hinweis auf die Möglichkeiten für junge Manager, im Ausland für Delta Pronatura zu arbeiten und Karriere zu machen. Wer oben mitspielen will, benötigt gute Leute und muss seine Werte offensiv vermitteln. Darin sind sich Vater und Sohn einig.
Auch Social Media sei für Delta Pronatura länger schon kein Fremdwort mehr. Ein Prozess ist in Gang gekommen: „Mittlerweile hat mein Vater sogar am iPhone Gefallen gefunden“, unterstreicht Nils den Erfolg seiner Arbeit augenzwinkernd. Der Generationswechsel im Haus Delta Pronatura ist keine vage Absichtserklärung, sondern vertraglich besiegelt. Die Übergangsphase wurde auf drei Jahre festgesetzt. Nils gehört dem Führungskreis seit 2016 an. Ende dieses Jahres geht das Zepter komplett an ihn über.
Heiner Beckmann war vor über 40 Jahren gegen den Widerstand seines dominanten Vaters mit der Expansion ins Ausland gestartet. Es war ein Akt der Befreiung. Es dem im Umgang schwierigen Vater zeigen zu wollen, befeuerte seinen Ehrgeiz. „Das war am Anfang Klinkenputzen auf Messen“, erinnert er sich. Doch rasch stellt sich Erfolg ein. Von Anfang an ist Beckmann klar, dass der eigene Betrieb nicht mit den großen Wölfen der Branche heulen kann. Die Nischenstrategie mit dem Fokus auf Spezialprodukte erweist sich als richtig. Die Felder, auf denen Dr. Beckmann und die anderen Marken operierten, seien „für große Hersteller nicht groß genug und für kleine Hersteller zu kompliziert.“
„Nicht klotzen, sondern kleckern“ – ein Leitspruch, den Heiner Beckmann öfters verwendet. Er bezieht sich allerdings nicht auf die Agilität des Unternehmens oder die Suche nach kleinsten Nischen, wie die Egelsbacher betonen. Es geht um die Kernkompetenz des Unternehmens – die Flecken, die Menschen auf ihrer Kleidung hinterlassen und deren Beseitigung. Solange dies der Fall sei, „besteht genügend Raum für unser Geschäftsfeld.“ Das dürfte Nils als Orientierung dienen: „Es besteht keine Notwendigkeit, alles auf links zu drehen“, sagt er. Das Unternehmen sei komfortabel aufgestellt, aber es gehe stets darum, „der Gefahr entgegenzuwirken, träge zu werden“.
Die Fußstapfen, die Vater Beckmann hinterlässt, sind nicht klein. Seit über 40 Jahren leitet er das Familienunternehmen in dritter Generation zusammen mit seinem Cousin Gerhard Krauß. Beckmann und Krauß haben denselben Großvater. Beide Gesellschafterfamilien sind mit jeweils 50 Prozent am Unternehmen beteiligt. Keine einfache Konstellation, so wird jeder denken, der Patt-Situationen vor Augen hat. „Bislang hat das gut funktioniert“, sagt der 70-Jährige über die eingespielte Rollenverteilung: „Herr Krauß und ich haben uns nie auseinanderdividieren lassen.“ Der gelernte Apotheker Beckmann hat sich genau wie sein Cousin in all den Jahren ressortübergreifend um so ziemlich alle Belange im Unternehmen gekümmert. Gerhard Krauß war als Verleger allerdings über längere Zeit auch anderweitig unternehmerisch gebunden.
In Zukunft wird es eine klare Ressortverteilung geben. Krauß werde sich unter anderem um die Finanzen kümmern, Nils Beckmann für Marketing und Vertrieb zuständig sein. „Das Loslassen wird nicht leicht fallen“, sagt Heiner Beckmann, doch der Vertrag gelte. „Am Jahresende übernimmt Nils meine Position.“ Als Scout, Berater und Akteur auf dem verbandspolitischen Parkett werde er allerdings weiter aktiv sein. Seinem Sohn nimmt man es ab, wenn er sagt: „Mein Vater hat mir den Start leichtgemacht.“ Ein Patriarch, wie es einst sein Vater war, wollte Heiner Beckmann seinem Sohn nicht sein.
Dass Nils geeignet ist, das Erbe anzutreten, erkannte der Senior während der Studienzeit seines Sohnes. Der gelernte Industriekaufmann und studierte Betriebswirt hat einen Masterabschluss in Family Entrepreneurship an der Zeppelin-Universität in der Tasche. Erste Managementerfahrungen konnte Nils beim Alpecin-Hersteller Dr. Wolff- Gruppe sammeln. „Ich musste mich beeilen, Nils hätte überall unterkommen können“, betont Heiner Beckmann.
„Ja sicher“, sagt der Chef auf die Frage, ob er als Unternehmer Fehler gemacht habe. Einer sei gewesen, zu schnell wachsen zu wollen und dabei zu viele Risiken eingegangen zu sein. Als die Twin-Tower am 11. September 2001 in den USA fielen, habe das Delta Pronatura wirtschaftlich schmerzhaft zu spüren bekommen. Zum Unternehmersein gehört es dazu, Lehrgeld zu bezahlen. Doch das eherne Prinzip, ein zu 100 Prozent Eigentümer geführtes Unternehmen zu sein, sollte zu keiner Zeit gefährdet sein.
Nils selbst musste bereits erfahren, dass die Bäume nicht immer in den Himmel wachsen. Mit frischen Eindrücken aus dem Silicon Valley wollte er die Mitarbeiter in der Heimat auf eine neue Kultur einschwören. Doch so einfach ist es nicht, alte Strukturen aufzubrechen. Seine Erkenntnis: „Man kann nichts alleine durchboxen.“ Entscheidend bleibe auch in Zukunft, Trends schnell zu erkennen und erfolgreich in Produkte umzumünzen. Bisher steht dafür in starkem Maße Heiner Beckmann. Er ist auf seinem Feld so etwas wie der legendäre Hans Riegel, der die Erfolgsgeschichte von Haribo geschrieben hat. Delta Pronatura zeigt diesen Innovationsgeist. Das Unternehmen verfügt nur über eine kleine Forschungsabteilung, die sehr fokussiert arbeite.
Als Heiner Beckmann bei einem Vortrag der GfK von dem Trend „Aktivkohle als Inhaltsstoff“ hört, hat dies Konsequenzen. Schnell wird der bestehende Waschmaschinen-Pflegereiniger adaptiert und um Aktivkohle ergänzt. In wenigen Tagen steht ein neuer Kochfeld-Reiniger mit Aktivkohle und zusätzlich frei von Mikroplastik in den Regalen des Handels. Geriebene Aprikosenkerne ersetzen umweltschädliche Mikroplastik-Partikel. Die Idee hat Beckmann aus Taiwan mitgebracht und rasch umgesetzt: „Sie können nicht alles ewig testen. Dann ist der Trend verlaufen“, sagt Heiner Beckmann. Sein Sohn hört es und nickt.
Familiensache
„Zu welchem Unternehmen wollen Sie, Delta Pronatura? – sagt mir nichts. Was machen die denn?“, fragt der Busfahrer, der Tag für Tag auf den Straßen der südhessischen Stadt Egelsbach unterwegs ist. „Ah, Dr. Beckmann, die Fleckenteufel! Ja klar, die Haltestelle ist quasi vor der Tür.“ Die Marken von Delta Pronatura – Dr. Beckmann, Bullrich sowie die Vertriebsmarken Blistex, Blanx und Bi-Oil – sind bekannt. Das Unternehmen mit der obskur wirkenden Firmierung weniger, wie die Geschichte zeigt.
Der Name ist historisch aus der Fusion mehrerer Unternehmen hervorgegangen. Wobei das Delta, so ist in der Festschrift zum achtzigsten Bestehen zu lesen, als griechisches Symbol an die klassisch humanistische Bildung der Apotheker in der Familie erinnert. Der Zusatz Pronatura soll unter anderem dafür stehen, dass alle Neuentwicklungen so umweltfreundlich wie möglich sein sollen.
Seit 2001 hat das lange Zeit öffentlichkeitsscheue Unternehmen seine Zentrale in Egelsbach. Seine Wurzeln hat der Experte für Flecken und Waschhilfsmittel in Berlin. Dort hat der gemeinsame Großvater der Inhaberfamilien Beckmann und Krauß 1934 die auf Hautpflegemittel spezialisierte Schäfer’s Apotheke samt des angeschlossenen Laboratoriums DDD übernommen. Dies sollte die Keimzelle eines Unternehmens werden, das heute mit seinen Spezialprodukten in 80 Ländern aktiv ist, insgesamt 350 Mitarbeiter beschäftigt und 2016 einen Umsatz von rund 152 Millionen Euro erzielt hat. Bis 2024 soll sich der Umsatz auf 300 Millionen Euro verdoppeln; der Auslandsanteil langfristig von 60 auf 75 Prozent wachsen.
Produktionswerke stehen in Manchester und in Egelsbach. Am deutschen Standort laufen derzeit die Bauarbeiten für ein neues Produktionslager.Delta Pronatura unterhält acht Auslandsgesellschaften – darunter England, USA, China und seit einem Jahr auch in Frankreich.
Die Produkte werden in Design, Verpackung und Sprache an jeden Ländermarkt angepasst. Die Verkaufsschlager sind heute Farb- und Schmutzfänger gegen Wäscheverfärbungen sowie Waschmaschinenreiniger. Angesichts des Detox- Trends rücke zudem die Gesundheitsmarke Bullrich in den Fokus.
Mit Nils Beckmann ist der erste Vertreter der vierten Generation in der Geschäftsleitung. Gemeinsam mit Gerhard Krauß, dem Cousin seines Vaters, bildet er ab Ende 2018 das neue Führungsduo. Der Firmenerbe hat sich die Digitalisierung des Traditionsunternehmens zur Aufgabe gemacht. Während der Mittelständler in China eigene Shops auf den E-Commerce-Plattformen von Alibaba und JD.com betreibt und 30 Prozent des Umsatzes online einfährt, muss hierzulande die Zusammenarbeit mit dem Online-Riesen Amazon erst noch ausgelotet werden.
lz 09-18